SERBISCH ORTHODOXER JUGENDVEREIN INNSBRUCK

SPOJI

In Innsbruck fand zum vierten Mal der Gedenkspaziergang für Diana Budisavljević (geb. Obexer) statt – Zum ersten Mal in Anwesenheit ihres Urenkels Leonardo Rašica

Am Sonntag, den 15. September 2024, fand in Innsbruck der vierte Gedenkspaziergang für Diana Budisavljević (geborene Obexer) und ihre HelferInnen statt. Zum ersten Mal in Anwesenheit ihres Urenkels Leonardo Rašica aus Brasilien, der bei dieser Gelegenheit zum ersten Mal Innsbruck besuchte. Diesen Gedenkspaziergang initiierte 2021 der Serbisch Orthodoxe Jugendverein Innsbruck (SPOJI) mit Unterstützung und Anteilnahme der serbisch-orthodoxen Kirchengemeinde Innsbruck.

Der Treff- und Startpunkt des Spaziergangs war direkt nach der Heiligen Liturgie vor der Serbisch Orthodoxen Kirche zur Geburt des Heiligen Johannes des Täufers (ehem. Herz-Jesu-Kirche), wo sich eine bedeutende Gruppe von Menschen versammelte. Mag. Vladimir Vlajić, einer der Gründer der non-profit Organisation „SPOJI“ und erster Gedenkdiener Österreichs in Serbien, erklärte allen, dass der Gedenkspaziergang bisher im August stattfand, da sich Diana Budisavljevićs Todestag am 20. August (1978) jährt, aber dass er dieses Jahr auf einen etwas späteren Zeitpunkt verlegt wurde, damit auch ihr Urenkel teilnehmen konnte. Neben ihm, nahmen  dieses Jahr auch eine Vielzahl der Mitglieder der serbisch-orthodoxen Kirchengemeinde, Vertreter der Kultur- und Sportvereine „Bratstvo“ aus Innsbruck und „Petar Kočić – Zmijanje“ aus Fügen, sowie Vertreter aus der Kirche, Wissenschaft und Politik. Anwesend waren u.a. auch Frau Sonja Föger-Kalchschmied, Tiroler Landtagsabgeordnete, Frau Zeliha Arslan, Tiroler Landtagsabgeordnete, Pater Aleksander Stolić, Pfarrer der serbisch-orthodoxen Kirchengemeinde Innsbrucks, Dr. Lukas Morscher, Leiter des Stadtarchivs und des Stadtmuseums Innsbruck, Bernhard Höfler,  Vorsitzender der FSG Tirol und Vorstandsmitglied der Arbeiterkammer Tirol, Fabian Walch, Innsbrucker Gemeinderat, sowie Oliver Ranisavljević, Präsident des Dachverbands der Serben in Tirol.

Dann ging es von der ehem. Herz-Jesu-Kirche in Richtung Westfriedhof, wo Diana am Familiengrab der Familie Obexer ihre letzte Ruhestätte fand. Dort zündeten Leonardo Rašica und Vladimir Vlajić, eine Kerze an und legten Blumen als Zeichen der Dankbarkeit und des ewigen Gedenkens im Namen aller Beteiligten nieder. Vladimir Vlajić, erzählte über die wichtigsten Fakten aus Dianas Biografie und erinnerte über das Engagement von „SPOJI“, der seit 2010 zahlreiche Initiativen und Aktivitäten umgesetzt hat, um an Diana und ihre HelferInnen zu erinnern.

„Den Gedenkspaziergang für Diana und ihre HelferInnen haben wir deshalb ins Leben gerufen, um ihr und ihren HelferInnen jedes Jahr in den Wochen nach ihrem Todestag unseren ewigen Dank auszudrücken, sowie ein Zeichen der aktiven und lebendigen Erinnerungskultur in unserer Heimatstadt Innsbruck und unserem Heimatland Tirol zu setzen. Dadurch wollen wir auch zum Ausdruck bringen wie sehr uns eine lebende Erinnerung an Diana und ihre HelferInnen wichtig ist, wie sehr wir sie lieben und schätzen, da sie mit ihren UnterstützerInnen während des Zweiten Weltkriegs zwischen 7.500 und 12.000 serbische Kinder vor dem Völkermord und zwei kroatische Partisanenkinder vor dem politischen Revanchismus in den Todeslagern des faschistischen Ustascha-Regimes im damaligen Unabhängigen Staat Kroatien retten konnte. Wir wollen damit auch jedes Jahr an alle Opfer des Zweiten Weltkriegs erinnern, da Diana zwar tausende vorwiegend serbische Kinder aus diesen KZs retten konnte, jedoch weitaus mehrere tausende serbische, jüdische und Roma-Kinder Opfer des Völkermords waren und auch Kinder von Antifaschisten verschiedenster Nationen in den KZs umkamen nur weil sie anderer Abstammung waren oder sich ihre Eltern dem Wahnsinn der Nazis, Ustascha und anderer faschistischer Gruppierungen widersetzt haben.“ – sagte Mag. Vlajić am Ende seines Kurzvortrags.

Daraufhin wandte sich Leonardo Rašica, Dianas Urenkel, auf Englisch an alle Anwesenden, wobei Vladimir Vlajić ins Deutsche übersetzte. Leonardo wohnte im August in Serbien und Kroatien, um wichtige historische und persönliche Daten über seine Urgroßmutter Diana zusammenzutragen, da er ein Buch über sie schreibt. Neben wichtigen Institutionen besuchte er diesen Sommer gemeinsam mit Vladimir Vlajić auch überlebende Zeitzeugen bzw. Ehemalige Insassen des KZs Jasenovac, Personen die während des Zweiten Weltkriegs als Kinder von seiner Urgroßmutter gerettet wurden, sowie das Kloster Jasenovac in Kroatien das sich gleich neben dem damaligen KZ Jasenovac befindet. Leonardos Rede übertragen wir Ihnen zur Gänze:

„Ich möchte mich bei allen hier Anwesenden und auch bei der Organisation SPOJI bedanken, für alles, was sie über so viele Jahre hinweg für das Gedenken an meine Urgroßmutter Diana Budisavljević getan haben. Innerhalb von SPOJI möchte ich besonders Vladimir Vlajić meinen Dank aussprechen, der für mich wie ein Bruder geworden ist.

Einige von Ihnen wissen bereits, dass ich ein Buch über Diana Budisavljević schreibe, das sich hauptsächlich auf ihre Aktion zur Rettung von Kindern aus den Ustascha-Lagern während des Zweiten Weltkriegs konzentriert. Für dieses Buch waren die Treffen, die ich in Serbien mit den von Diana geretteten Kindern hatte, von großer Bedeutung. Die meisten dieser Treffen wurden von Vladimir organisiert, viele von ihnen hätten ohne seine Hilfe nicht stattgefunden.

Nun sind die Menschen oft neugierig zu erfahren, in welcher Weise ich von Diana Budisavljević abstamme. Diana wurde 1891 hier in Innsbruck geboren. 1917 heiratete sie meinen Urgroßvater Julije Budisavljević, einen serbischen Arzt, und sie hatten zwei Töchter. 1918 wurde meine Großmutter Jelka Budisavljević in Innsbruck geboren, und 1920 kam meine Großtante Ilse zur Welt, nachdem die Familie bereits nach Zagreb gezogen war. Meine Großmutter Jelka Budisavljević heiratete in den 1940er Jahren meinen Großvater Mario Rašica. Sie zogen später nach Italien, wo 1947 mein Vater Orsano Rašica geboren wurde. Weniger als ein Jahr später zog die Familie nach Brasilien, wo ich 1972 geboren wurde. Ich habe einen 30-jährigen Sohn namens Angelo, der somit der Ur-Ur-Enkel von Diana ist.

Von ihrer Tochter Ilses Seite hat Diana auch eine Enkelin, drei Urenkel und eine Ur-Ur-Enkelin.

Die Leute sagen oft, wie stolz ich sein muss, der Urenkel von Diana Budisavljević zu sein. Die Wahrheit ist, das Gefühl für mich ist eher mit Erstaunen vergleichbar, manchmal sogar mit Verwunderung, wenn ich darüber nachdenke, wie unwahrscheinlich es ist, eine Urgroßmutter zu haben, die solch unvergleichliche Heldentaten vollbracht hat. Ihre Taten trotzen jedem Vergleich, sei es durch die schiere Anzahl der geretteten Leben, die Tatsache, dass es unschuldige Kinder waren, oder die Brutalität des Regimes, dem sie die Stirn bot. Sie betrat Konzentrationslager, manchmal bat sie um Erlaubnis Kinder herauszuholen, manchmal bettelte sie und manchmal forderte sie es.

Wir dürfen nicht vergessen, dass das Ustascha-Regime eines der brutalsten und sadistischsten der Geschichte war, eine Tatsache, die sogar von prominenten jüdischen Holocaust-Forschern anerkannt wird. Die Methoden der Ustascha zur Ausrottung, die sich in erster Linie gegen Serben richteten, aber auch gegen Juden, Roma und politische Gegner, waren berüchtigt grausam. Die Tatsache, dass sie sich in gleicher Weise gegen Kinder und Babys wandten und das einzige bekannte Regime waren, das Konzentrationslager ausschließlich für Kinder einrichtete, gibt einen Eindruck davon, was für ein Regime das war.

Während meines kürzlichen Aufenthalts in Serbien (etwa einen Monat im letzten August) drückten einige der geretteten Kinder – wie Dušan Jerinić aus Pančevo und Jelena Radojčić aus Belgrad, um nur zwei zu nennen – ihre Dankbarkeit gegenüber Diana aus und sagten, dass sie ihnen ein zweites Leben geschenkt habe und in diesem Sinne für sie wie eine zweite Mutter war.

Ich wurde 1972 geboren und habe in meinem Leben nie etwas erlebt, das einem Konzentrationslager nahekommt, Gott sei Dank, aber auf eine gewisse Weise könnte ich, was meine Urgroßmutter Diana betrifft, die gleichen Worte wie Dušan und Jelena verwenden.

Seit mehreren Jahren habe ich die Idee, ein Buch über Diana Budisavljević und ihre Bemühungen zur Rettung von Kindern zu schreiben. Als ich jedoch vor einem Monat in Serbien war, um die von ihr geretteten Kinder zu treffen und Orte wie Jasenovac zu besuchen, wurde mir klar, dass es um viel mehr geht als nur um das Buch. Das bedeutet nicht, dass das Buch als ein weniger wichtiges Projekt behandelt wird, sondern vielmehr, dass ich ohne Planung oder bewusste Entscheidung während einer dieser Augusttage in Serbien plötzlich, aber auf natürliche Weise zu der Erkenntnis gelangt bin: Das Buch wird nur der Anfang sein. Es wurde mir als eine Unvermeidlichkeit klar, dass ich von nun an und für den Rest meines Lebens ein höheres Ziel haben würde – das Bewusstsein für Dianas heldenhafte Taten zu schaffen, die realen Gefahren, denen sie sich und ihre Familie aussetzte, und das Schicksal all dieser Kinder – sowohl derjenigen, die sie rettete, als auch derjenigen, die nicht gerettet werden konnten.

Und so möchte ich meine heutige Rede über Diana beenden, indem ich dieser unvergleichlichen Heldin danke – nicht als ihr Urenkel, sondern als eine weitere Person, ähnlich wie die vielen Kinder, die sie gerettet hat, die das Gefühl haben, dank ihr ein zweites Leben geschenkt bekommen zu haben.“ – sagte Leonardo Rašica am Grab seiner Urgroßmutter, das er zum ersten Mal im Leben besuchte, und vor all den versammelten Teilnehmerinnen und Teilnehmern des diesjährigen Gedenkspaziergangs.

DIANA BUDISAVLJEVIĆ, GEB. OBEXER

Diana Budisavljević wurde 1891 als Frieda Olga Diana Obexer in Innsbruck geboren. Sie war Tochter des Tiroler Kaufmanns Max Obexer und der Anna Roese. Ihr Großvater Michael Obexer war u.a. auch Gründer des Kurortes Igls. Sie verbrachte ihre Jugend in Innsbruck, u.a. in ihrem Geburtshaus, dem „Obexer-Haus“, in der Maria-Theresien-Straße, das sich auch heute noch dort befindet und in dem heute der Verlag „Tyrolia“ angesiedelt ist.

Sie absolvierte die Volks- und Mittelschule in Innsbruck und besuchte 1910er Jahren einen Pflegekurs an der Universitätsklinik und lernte dort den Assistenzarzt an der Chirurgischen Klinik in Innsbruck, den aus Kroatien stammenden Serben Dr. Julije Budisavljević (1882–1981) kennen, den sie 1917 heiratete. Sie zogen 1919 nach Zagreb, wo ihr Mann als Universitätsprofessor der Chirurgie an der Medizinischen Universität tätig war.

Als am 6. April 1941 Nazi-Deutschland das Königreich Jugoslawien ohne Vorwarnung aus der Luft angriff kam es zum Zerfall des Königreichs, das unter den Kollaborateuren des Dritten Reichs aufgeteilt wurde. Dabei wurde auf dem heutigen Territorium Kroatiens, Bosnien und Herzegowinas und einem Teil Nordserbiens, mit Unterstützung der Nationalsozialisten, der sogenannte Unabhängige Staat Kroatien unter der Führung des faschistischen Ustascha-Regimes ausgerufen. Dieser Vasallenstaat von Hitlers Gnaden setzte aggressive Rassengesetze um, wobei zu den größten „Feinden des kroatischen Volkes“ Serben, Juden und Roma gehörten. Es begann der Völkermord an Serben, Juden und Roma. Das KZ Jasenovac wurde zum Auschwitz des Balkans und die faschistischen Mörderbanden machten auch vor Kindern nicht Halt. Als Diana Budisavljević davon erfuhr, dass Kinder in Konzentrationslagern zu Tode geprügelt wurden, verhungerten und an Seuchen starben, zögerte sie nicht. Obwohl die Familie ihres Mannes ebenfalls durch das Ustascha-Regime gefährdet war, organisierte sie in den Jahren 1941 bis 1945 zusammen mit mehreren Mitarbeitern, darunter Diplomingenieur Marko Vidaković und Ingenieur Djuro Vukosavljević, eine private Hilfsaktion unter dem Namen „Aktion Diana Budisavljević“.

Die Aktion kümmerte sich um die Versorgung mit Hilfsgütern sowie Freilassung und Unterbringung von Kindern und Frauen, überwiegend serbischer Herkunft, aus den Todeslagern des Ustascha-Regimes. Mit Hilfe von Transportlisten und weiteren Quellen führte sie zusammen mit ihren Mitarbeitern eine Kartei, die gegen Kriegsende Angaben von ca. 12.000 Kindern enthielt. Zum Ende des Krieges, als es darum ging, die Kinder ihren Familien zurückzugeben, erlitt das Hilfswerk einen herben Rückschlag, als die Kommunisten ihre Kartothek mit sämtlichen Aufzeichnungen konfiszieren ließen.

Sie zog 1972 mit ihrem Mann wieder nach Innsbruck, wo sie bis zu ihrem Tod 1978 in der Anichstraße 24 lebte. Sie wurde am Innsbrucker Westfriedhof am Familiengrab unter der Arkade 48 beerdigt.

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